Konvivalität und Selbstbegrenzung

In einer Welt, in der Wissenschaft und Technik alles machbar erscheinen lassen, erscheint mir der Begriff „Selbstbegrenzung“ der wichtigste Gedanke zu sein, der uns Menschen befähigen kann, zukünftig in Würde zu leben und zu überleben. Selbstbegrenzung bedeutet, sich selbstbestimmt und freiwillig für die Zurücknahme eigener Wünsche und Möglichkeiten zu  entscheiden. Auf kritische Weise bezeichnet Ivan Illich in seiner „Entschulung der Gesellschaft“ die Schule als ein wirksames Instrument zur Vorbereitung der Kinder auf ein fremdbestimmtes Leben, das dem Leistungsdruck und Konsumzwang ausgeliefert ist. Die Auswirkungen der Medienmanipulation, der verlorengegangene Glaube an ein grenzenloses Wirtschaftswachstum, des Raubbaus an der Natur, die Gefahren der Rüstungsindustrie durch atomare und chemische Verseuchung, inklusive Psychopharmaka als Mittel der Kriegsführung in Luft und Wasser machen Angst. Es ist das richtige Gefühl Angst zu haben! Gehen wir bewusst damit um! In Dürrenmatts Schauspiel „ Die Physiker“ lassen sich Wissenschaftler nicht von  Geltungssucht und Eitelkeit blenden. Sie entziehen sich nicht der Verantwortung. Im Gegensatz dazu:  das bürgerliche Ehepaar in Frisch´s  „Biedermann und Brandstifter“. Ein elftes Gebot sollte heißen: „ sei nicht feig, schau hin“!

Das Bild vom Menschen des 20sten und 21sten Jahrhunderts zeigt ihn als bildungshungrigen Menschen und brillanten Wissenschaftler mit den Emotionen eines Steinzeitmenschen. Selbst Einstein plädierte, bevor er „Mein Weltbild“ schrieb, für den Abwurf von Atombomben auf Deutschland und Österreich.  Das menschliche Aggressionspotential (in Verbindung mit kalkulierten Wirtschaftsinteressen, Aufbauarbeit nach Kriegen) wird mit zunehmend effizienteren Waffen für die gesamte Menschheit immer bedrohlicher. Im Zusammenhang mit Freuds Erkenntnissen ist es in uns selbst, in unserer „Rudel- Mentalität“ begründet. So erkannte Freud: „Es wird den Menschen offenbar nicht leicht, auf die Befriedigung dieser ihrer Aggressionsneigung zu verzichten.  Es ist immer möglich eine größere Menge Menschen in Liebe aneinander zu binden, wenn nur ANDERE für die Äußerung der Aggression übrig bleiben“. Im Wissen um diese in uns wirksame Eigenschaft – unsere tief verwurzelte Prägung ist eben die der „höheren Primaten“ - sind wir ohne ständige Wachsamkeit immer in Gefahr, auf dieses Instinktverhalten zurück zu fallen. Hier sind Aufklärung und Gesetze das Sicherheitsnetz für die Gesellschaft.  Wir müssen uns die Frage stellen: wie weit dürfen Technik, Biogenetik, Medizin und Pharmakologie den Menschen und die Natur verändern? Vor allem, wenn es um den „Pendelschlag zurück“ geht. Canetti und Tucholsky haben über diese zyklischen Veränderungen geschrieben, Gewohntes, durch Neues, noch nicht Gelebtes zu ersetzen. Wo stehen wir jetzt und wo sollten wir stehen? In welche Richtung wird sich der Zeitgeist verändern?

Wir haben die Zukunft und die unserer Kinder noch immer selbst in der Hand. Konvival bedeutet auch, das unterschätzte empathische Vermögen der Kinder zu fördern und sie so früh als möglich in die Thematik ethischer Grundsätze einzuführen. Wir wollen gestaltend wirken und uns nicht jede Hoffnung mit dem bequemen Argument „Da können wir ja doch nichts machen“ rauben lassen. „Denn dem wird befohlen, der sich nicht selber gehorchen kann“, sagt Nietzsche.